Grundlagen der Partizipation
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Was ist (Kinder- und Jugend-)Partizipation überhaupt?
Partizipation kann in sehr unterschiedlichen Bereichen angewendet werden, bedeutet aber immer Mitreden, Mitmachen, Mitbestimmen. Doch es ist ein grosser Unterschied, ob jemand mitredet oder mitbestimmt.
Partizipation beschreibt immer auch einen Erfahrungs- und Lernprozess. Das bedeutet, dass Partizipation gelernt und geübt werden muss: Mitreden und Mitentscheiden wird am besten durch aktives Mitentscheiden erlernt. Somit können nicht nur Kinder und Jugendliche Erfahrungen sammeln, sondern auch die Erwachsenen das Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder und Jugendliche erlernen. Damit man von einer erfolgreichen Partizipation sprechen kann, müssen sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf Augenhöhe begegnen – es braucht also immer beide Seiten. Was so einfach klingt, ist eine grosse Herausforderung! -
Partizipation als Menschenrecht
Unter dem Begriff Partizipation wird ausserdem ein Menschenrecht verstanden, das das Teilnehmen und Mitwirken von Individuen oder Gruppierungen an Beschlüssen sichert. Dieses Recht ist grundsätzlich bereichs- und altersunabhängig.
Das Recht zur Partizipation ist nicht nur in der Menschenrechtskonvention, sondern auch in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben: Jedes Kind hat das Recht, sich für seine eigenen Interessen und Rechte aktiv einzusetzen. Besonders in Artikel 12 (Berücksichtigung des Kinderwillens) und in Artikel 13 (Meinungs- und Informationsfreiheit) macht die UNO das Recht auf Partizipation deutlich. Die Artikel besagen zum einen, dass Kinder Anspruch auf Information, Respekt und gesellschaftliche Partizipation haben. Zum andern haben Kinder das Recht, ihre Meinung kundzutun und sich für ihre Interessen einzusetzen, auch wenn es den Interessen der Erwachsenen oder denen der Staatsorgane widerspricht.
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Wieso ist Partizipation wichtig?
Partizipation ist von grosser Bedeutung, vor allem wenn Kinder und Jugendliche nicht nur als Objekte der Fürsorge, sondern als eigenständig denkende und handelnde Menschen mit eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen ernst genommen werden sollen. Kinder entwickeln diese Fähigkeiten dann am besten, wenn ihnen Raum geboten wird, in dem sie ihre Bedürfnisse und Meinungen äussern können, wenn sie angehört und respektiert werden. Wenn Kinder und Jugendliche mitbestimmen können, dann fühlen sie sich von den Erwachsenen ernst genommen und entwickeln ein Selbstvertrauen, das ihnen erlaubt, Verantwortung zu übernehmen und Probleme zu lösen. Zudem fördert Partizipation die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen und wirkt sich positiv auf ihre psychische Gesundheit aus.
Eine verstärkte Einbindung von Kindern und Jugendlichen ist schliesslich von zentraler Bedeutung für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Indem junge Menschen bereits früh lernen, ihr Lebensumfeld mitzugestalten und mitzutragen, werden sie dazu befähigt, jetzt und auch später eine aktive Rolle in der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft und derjenigen der Gesellschaft einzunehmen.
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Unterschiedliche Arten von Partizipation
Partizipation kann auf sehr unterschiedliche Weise stattfinden. Zum einen können einzelne Personen partizipieren, indem sie als Individuum einbezogen werden. Bei Kindern erfolgt das zum Beispiel in Form des Anhörungsrechts im Scheidungsverfahren.
Nebst der individuellen gibt es auch die kollektive Partizipation. Hier werden mehrere Personen in Bezug auf ihre Bedürfnisse als Gruppe einbezogen – zum Beispiel eine Schulklasse bei der Gestaltung des neuen Spielplatzes.
Partizipation kann ausserdem unterschiedliche Ausprägungen haben. Nicht immer heisst Partizipation, dass Kinder und Jugendliche alles vollständig selber machen und entscheiden. Steht man zum Beispiel bei einem Spaziergang mit der Kindergartengruppe an einer Kreuzung und lässt die Kinder entscheiden, welchen Weg die Gruppe nimmt, kann bereits von Partizipation gesprochen werden.
Eine der bekanntesten Unterscheidungen der unterschiedlichen Ausprägungen ist das Stufenmodell von Roger Hart.
Sie möchten wissen, wie diese Unterscheidung aussieht? Lesen Sie hier weiter.
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Partizipation in Vereinen
Partizipation kann in jedem Umfeld angewendet werden – also auch in Vereinen. Für Vereine gibt es unterschiedliche Gründe dafür, dass Kinder- und Jugendpartizipation sinnvoll ist.
Zum einen lässt sich das Angebot und der Vereinszweck noch besser auf Kinder und Jugendliche anpassen, wenn diese beim Vereinsgeschehen mitentscheiden können. Damit wird nicht nur die Arbeit des Vereins verfeinert, sondern auch die Qualität seiner Aktivitäten erhöht. Denn ein Angebot von Kindern für Kinder macht viel mehr Spass!
Zusätzlich steigert Partizipation das Gefühl der Verbundenheit und die Identifikation mit dem Verein. Werden Kinder und Jugendliche vermehrt einbezogen, erhöht dies auch ihre Bereitschaft, sich in anderen Bereichen für den Verein zu engagieren. Die Jugendlichen machen nicht nur intensiver mit, sondern bleiben auch oft länger im Verein. Das trägt zur Nachwuchsförderung bei.
Schlussendlich führt die Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen auch zu einem besseren Austausch innerhalb des Vereins. Die jungen Mitglieder lernen die Erwachsenen besser kennen, die Erwachsenen merken ihrerseits, wie Jugendliche handeln. Das gegenseitige Verständnis innerhalb des Vereins wächst.
Was es alles dazu braucht, dass Kinder und Jugendliche mehr mitbestimmen, können Sie hier lesen.
Wie Kinder- und Jugendpartizipation in Schweizer Vereinen schon heute umgesetzt wird, erfahren Sie in den Vereinsporträts.
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Weiterführende Literatur zum Thema
Fatke, R und Niklowitz, M. (2003). Den Kindern eine Stimme geben: Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz. Universität Zürich: Pädagogisches Institut, Fachbereich Sozialpädagogik im Auftrag des Schweizerischen Komitees für Unicef.
Gernert, W. (1993). Jugendhilfe – Einführung in die sozialpädagogische Praxis. München u. Basel.
Grosse-Oetringhaus, H und Strack, P. (2011). Kinder mischen mit. In Partizipation – Ein Kinderrecht. terre des hommes Deutschland, Osnabrück.
Hart, R. (1997). Children's participation. The theory and practice of involving young citizens in community development and environmental care. Reprinted. New York
Hartig, S und Wolff, M. (2013). Gelingende Beteiligung in der Heimerziehung. Ein Werkbuch für Jugendliche und ihre BetreuerInnen. Beltz Verlag, Weinheim und Basel.
Ursprung, G. (2015). Partizipation der Kindermigrant/innen in der Schweiz. Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), Bern.
Rieker, P.; Mörgen, R.; Schnitzer, A. und H. Stroezel (2016): Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Formen, Bedingungen sowie Möglichkeiten der Mitwirkung und Mitbestimmung in der Schweiz. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.