Stufenmodell der Partizipation
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Was meint Roger Hart mit seinen Partizipationsstufen?
Roger Hart beschreibt in seinem Stufenmodell neun unterschiedliche und zum Teil sehr theoretische Stufen von Partizipation. Um die unterschiedlichen Ausprägungen passender für den Vereinsalltag zu formulieren, werden hier sechs Stufen vorgestellt.
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Die unterste Stufe: Fremdbestimmung oder gar Dekoration
Auf der ersten und tiefsten Stufe steht die Fremdbestimmung oder die Dekoration. Dabei handelt es sich nicht um Partizipation, sondern um Manipulation. Die Kinder und Jugendlichen haben keine Kenntnisse über die Ziele ihres Handelns oder sie verstehen nicht genau, wieso und wozu sie etwas tun. Ihr Handeln ist fremdbestimmt, im schlimmsten Fall werden die Kinder gar instrumentalisiert.
Ein Beispiel: Kinder und Jugendliche tragen an einer Demonstration Plakate, ohne dass sie wissen wofür sie eigentlich demonstrieren.
Ein weiteres Beispiel ist das «Dekorieren» von Fotos mit Kindern. Dabei werden Kinder etwa bei Veranstaltungen mitfotografiert, um den Eindruck zu erwecken, sie hätten an den Diskussionen teilgenommen, was aber nicht der Fall ist.
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Die nächste Stufe: die Alibi-Teilnahme
Bei der Alibi-Teilnahme handelt es sich um eine Vorstufe der Partizipation. Kinder und Jugendliche nehmen zwar an einer Aktivität teil, haben aber nur scheinbar eine Stimme mit Wirkung. Ihre Teilnahme beschränkt sich also auf das Anwesend-Sein. Es besteht aber die Möglichkeit einer sporadischen Beteiligung der Kinder und Jugendlichen. Ob die Kinder und Jugendlichen das Angebot annehmen möchten oder nicht, können sie hier im Unterschied zur ersten Stufe selbst entscheiden.
Ein Beispiel für diese Vorstufe der Partizipation sind Kinder- und Jugendparlamente, bei denen die Kinder zwar dabei sind, aber weder Einfluss auf den Entscheid nehmen können, noch wirklich etwas sagen dürfen. Oder auch Jugendparlamente, deren Beschlüsse von den Erwachsenen nicht aufgenommen werden.
Auch Vereinsveranstaltungen oder Podiumsdiskussionen, bei denen die Kinder anwesend sind, aber nicht mitreden können oder bei denen ihre Aussagen nicht wirklich ernst genommen werden, sind Beispiele.
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Die dritte Stufe: Fragen und Informationen an Kinder und Jugendliche
Auf der dritten Stufe werden die Kinder und Jugendlichen gefragt und informiert. Die Erwachsenen bereiten ein Projekt zwar selber vor, die Kinder und Jugendlichen sind aber gut darüber informiert, verstehen auch, worum es geht, und wissen, was das Projekt bewirken soll.
Eine erweiterte Form dieser Stufe ist die indirekte Einflussnahme der Kinder und Jugendlichen im Vorfeld eines Projekts: Sie können zum Beispiel in Interviews oder mit Fragebogen nach ihren Bedürfnissen befragt werden, haben dann aber keine Entscheidungskraft oder Einflussnahme bei der Umsetzung. Hier redet man bereits von Partizipation.
Ein Beispiel dafür ist die Befragung von Kindern für einen neuen Spielplatz. Sie können ihre Wünsche und Ideen einbringen, wie der Platz dann aber schlussendlich aussieht, entscheiden die Erwachsenen.
Ein weiteres Beispiel ist ein Vereinsanlass, bei dem ein Postenlauf für Kinder und Jugendliche angeboten wird. Die Kinder haben am Anfang ihre Ideen eingebracht, wissen, welche Posten es geben wird und finden diese auch toll. Sie haben aber nicht mitentscheiden können, wie die Posten am Ende aussehen.
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Kinder und Jugendliche können mitentscheiden
Auf der vierten Stufe stehen die Mitbestimmung und mit ihr das Beteiligungsrecht. Hier werden die Kinder und Jugendlichen tatsächlich miteinbezogen. Zwar kommen die Ideen für ein Projekt von den Erwachsenen, die Entscheidungen werden aber demokratisch und gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen getroffen.
Hier gibt es viele Beispiele auf Vereinsebene, etwa die Auswahl von Liedern für die Musikproben oder die Mitbestimmung bei den Regeln für ein Lager. Dabei geben die Erwachsenen eine Auswahl vor, die Kinder und Jugendlichen entscheiden, welche Lieder sie üben möchten oder welche Regeln gelten sollen.
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Die höchste Stufe: Selbstbestimmung
Die Selbstbestimmung ist die höchste Stufe der Partizipation. Hier initiieren die Kinder und Jugendlichen zum Beispiel selbst ein Projekt. Die Erwachsenen unterstützen und fördern diese Eigeninitiative, die Entscheidungen treffen die Kinder und Jugendlichen hingegen selbst. Erwachsene werden gegebenenfalls beteiligt und tragen die Entscheidungen mit.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Jugendlicher hat eine Idee für einen Vereinsausflug und organisiert diesen selbstständig.
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Die Selbstverwaltung: die wahre Partizipation
Die Selbstverwaltung oder Selbstorganisation schliesslich ist die wahre Partizipation. Kinder und Jugendliche können völlig selbstständig über das Ob und Wie eines Angebots entscheiden und handeln aus eigener Motivation. Entscheidungen werden den Erwachsenen lediglich mitgeteilt und allenfalls mit ihnen besprochen.
Das klassische Beispiel dafür sind Jugendverbände, zum Beispiel die Pfadi.